Gründe gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen für Künstler

Geldschein im öffentlichen Raum angebracht

Bleibt mir weg mit dem Geld

Ein bedingungsloses Grundeinkommen hilft Künstlern nicht aus ihrer wirtschaftlichen Lage, sondern verstrickt sie nur in weitere Abhängigkeit vom Staat.

Das Bedingungslose Grundeinkommen taucht nahezu zwangsläufig in jeder Diskussion auf, die sich um die angemessene Bezahlung von Künstlern und Kulturschaffenden dreht.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand:

Der Wert künstlerischer Leistung ist nur schwer zu ermitteln. Er ist Gegenstand andauernder Kontroverse und damit ständigem Wandel unterworfen. Retrospektiv gesehen, ist es seit Anbeginn der Moderne nicht gelungen, Künstlern ein verlässliches Einkommen zu sichern, das allein auf ihren Arbeiten gründete. Das gibt Anlass zum Pessimismus für die Zukunft.

Insofern erscheint ein allgemeines unbedingtes Grundeinkommen, das allen Menschen, nicht nur Künstlern, zugute käme, als ein genehmer Ausweg aus der Schwierigkeit, den Wert künstlerischer Arbeit zu bestimmen.

Ich bin dennoch der Meinung, dass ein solches Grundeinkommen nicht hilfreich ist, die schlechte wirtschaftliche Lage der meisten Künstler zu beseitigen.

Auch wenn ein Grundeinkommen den Künstlern eine gewisse Grundsicherung böte, die sie von den drückendsten Sorgen des Gelderwerbs befreite, halte ich folgende Einwände für bedenkenswert:

Ein Grundeinkommen wird mit Sicherheit nur das Existenzminimum abdecken können. Soweit Künstler darüber hinaus Bedürfnisse haben, müssen sie versuchen, sie unter den gleichen Bedingungen zu befriedigen, wie bisher.

Zudem bestünde die Gefahr, dass sich Institutionen mit dem Verweis auf das Grundeinkommen aus einer angemessenen Bezahlung von Künstlern herausredeten: „Warum sollen wir Dir denn noch ein Honorar zahlen? Du hast doch schon ein Grundeinkommen…“ Unterbezahlte Arbeit würde so auf niedrigem Niveau zementiert.

Auf Dauer abhängig vom Staat

Die eigentliche Problematik liegt aber in der Situation begründet, dass die fatale Abhängigkeit der meisten Künstler vom Staat nur verlängert würde.

Auch wenn in letzter Zeit viel von den Exzessen des Kunstmarktes die Rede ist, betreffen diese nur einen sehr geringen Teil aller Künstler. Der Rest ist nach wie vor von den Subventionen des staatlichen Kulturbetriebs abhängig oder akkommodiert seine Existenz in Bezug auf diesen.

Ein staatlich garantiertes Grundeinkommen bedeutete nichts anderes als ein unendliches Stipendium.

Damit wären aber die Bedingungen des Kunstbetriebs keineswegs aufgehoben, sondern nur verschleiert.

Seit den Anfängen der Moderne haben Künstler ein zwiespältiges Verhältnis zu Geld und Arbeit entwickelt und beibehalten. Geld und Arbeit gelten ihnen als Antipoden, sogar als Feinde ihrer vermeintlichen Freiheit. Der bürgerliche Kulturbetrieb hat sie in dieser Haltung, wie Hans Abbing ausführt, bestärkt, weil er darin ein probates Mittel sah Künstler arm und abhängig zu halten.

In Diskussionen zum Bedingungslosen Grundeinkommen wird gelegentlich das Argument vorgebracht, Künstler würden vielleicht eine andere – progressivere – Kunst machen, wären sie einmal von den Zwängen des Gelderwerbs befreit.

Dabei wird übersehen, dass sich Künstler immer schon dem Gelderwerb entzogen haben. Aus ideologischen Gründen, die in der Paradoxie münden, Geld zu verdienen, um (in der Kunst) nicht vom Geld abhängig zu sein. Künstler von der protestantisch-ethischen Notwendigkeit (Max Weber) eines Einkommens zu befreien, brächte ihnen keinerlei Gewinn, weil sie immer schon außerhalb dieser Ethik standen.

Ein Grundeinkommen, so ist zu befürchten, würde Künstler nur ermuntern an der Produktion nutzloser, autonomer Werke fest zu halten. Aus denen sich dann einige Reiche und Mächtige die Rosinen herauspicken.

Das holländische Experiment der 1950er bis 1980er Jahre, das allen Künstlern ein Einkommen sicherte, brachte – soweit ich es überblicken kann – weder eine Ausweitung von Nischenkunst (Noise, Netzkunst) noch Wohlstand für den Mainstream, sondern nur noch mehr Malerei, die schließlich die Depots verstopfte.

Der Status von Arbeit

Eine Lösung des Problems kann meiner Meinung nur darin bestehen, Künstler zu einer anderen Einstellung zur Arbeit zu bewegen. Wie ich an anderer Stelle ausgeführt habe, herrscht unter den gegenwärtigen Bedingungen de facto ein Arbeitsverbot für Künstler. Sie dürfen alles tun, nur nicht im bürgerlichen Sinne arbeiten.

Die Forderung nach einem unbedingten Grundeinkommen ist daher nur allzu bequem, denn sie verhindert die nötige Auseinandersetzung mit dem Begriff der Arbeit in der Kunst. Statt sich Angebot und Nachfrage zu stellen und darin zu positionieren, würde mit einem Grundeinkommen nur ein System der „charismatischen Bedarfsdeckung“, wie es Max Weber genannt hat, perpetuiert. Auch die Frage nach der Notwendigkeit selbst gesetzter Zweckhaftigkeit der Kunst durch die Künstler selbst (Heautonomie in der Theorie Michael Lingners) liefe Gefahr an Dringlichkeit zu verlieren.

Wenn andere für ihr Auskommen sorgen, dann müssen sich Künstler auch nicht weiter dafür interessieren, inwieweit der Kunstbetrieb manche Positionen bevorzugt und manche benachteiligt, und welche Gründe dafür bestehen. Denn es wäre trotz Grundeinkommen weiterhin der gleiche Kunstbetrieb. Es könnte sogar sein, dass die Ausbeutung, wie sie Abbing deutlich benannt hat, weiter zunähme, denn es bestünde keine Grund mehr sich wenigstens um des Brotjobs willen von der Kunst fern zu halten.

Ein Bedingungsloses Grundeinkommen könnte für manche Menschen, die sich etwa in HartzIV befinden, durchaus hilfreich sein. Für Künstler und Kulturschaffende ist es keine Lösung.

  

2 Gedanken zu „Gründe gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen für Künstler

  1. Edoe

    Die Idee, dass der Künstler sich möglichst frei machen müsse, hier also auch von staatlichen „Abhängigkeiten“, ist romantisch. Bitte einmal in Erwägung ziehen, dass die Künstler-Eigenschaft nicht die Einzige in der menschlichen Existenz sei, und künstlerische Arbeiten mehr als Projekte sehen, die von der Person betrieben werden, aber diese nicht bestimmen.
    Die Person wiederum braucht i.a. Essen, Heizung, Dach überm Kopf, neuerdings auch Internet (siehe hier), und daraus folgt irgendeine Form von wirtschaftlicher Abhängigkeit.
    Das bedeutet aber nicht, dass die Kunst damit abhängig wäre.

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  2. Helge W. Steinmann

    Guter Artikel. Es bedarf einer grundsätzlichen pädagogisch-medialen Wahrnehmungsveränderung demgegenüber was Kunst an Wertigkeit hat und haben darf. Das geht schon in der Schule los. Dort gehört Kunst zu den extrem unwichtigen Fächern, wie z.B. Sport, das in dem Kontext noch besser eingestuft wird. Auch an weiterführenden Hochschulen sieht es nicht besser aus. Kunst, als nicht einschätzbar und nicht wertkonform (was auch immer das sein mag) findet keinen Halt und keine Stabilität, da der Kunstmarkt nicht existiert. Die prekäre Situation, viele Künstler „hustlen”, wird hierbei auch gerne als klischeehafte Hilfe zur Kreativität missverstanden und gerne weiter zitiert, wie ein dämliches Mandala, sowohl in der Sozial- als auch in der Kunstpädagogik: Pinselmaler zu Taxifahrern …
    Ein vermeintlicher Rettungsanker, die so genannten Mehrheitsverhältnisse durch Verbandsgründungen sind ebenso macht-, wie sinnfrei. Offenbaren sie doch die Ohnmacht und Hilflosigkeit derer, die sich romantisch an das Bild des bildenden (und des sensiblen, zutiefst missverstandenen) Künstlers klammern.
    Daher: Auf keinen Fall ein Grundeinkommen für „Künstler”.

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