UNIXxxx for beginners
The Unix Operation System as object of media research and media art.
Ich bin mit UNIX zum ersten Mal 1990 am Institut für neue Medien in Frankfurt in Berührung gekommen. Zuvor hatte ich in Wien zwei Jahre auf Apple Macintosh Computern gearbeitet. UNIX, als das ältere Betriebssystem stellte einige Eingewöhnungsschwierigkeiten: statt durch "point and click" Dateien auszuwählen und zu manipulieren, verlangte eine Befehlszeile jegliche Anweisung an das Betriebssystem mittels schriftsprachlichen Kommandos einzutippen. Zudem war der Zugang zum Computer keineswegs frei, sondern musste durch Eingabe einer Benutzeridentität und eines Paßwortes erzwungen werden. Das allein hätte sicher nicht ausgereicht meinen Argwohn zu wecken, hätten sich nicht aus der Programmatik des Institutes neue Schwierigkeiten ergeben. Während der Leiter Peter Weibel in seiner Wiener Zeit (als Leiter einer Fachklasse für visuelle Mediengestaltung an der Hochschule für angewandte Kunst) noch relativ tolerant gegenüber den, ohnehin nicht sehr üppigen, digitalen Produktionsmitteln auftrat, entwickelte sich am Institut für neue Medien relativ schnell eine subtile Tyrannei gegenüber allem, was nicht mit UNIX und Silicon Graphics, den damals neu angeschafften "Supercomputern", zu tun hatte. Besonders heftig bekam das mein Kollege Marko Lehanka zu spüren, der mittels der objektorientierten Programmiersprache Smalltalk auf einem Atari sich selbst generierende Texte erzeugte. Er mußte sich allen Ernstes anhören, daß seine Sachen keinen Wert hätten, weil sie "nur" auf einem Atari entstanden wären.
UNIXxxx Set Card
Bei mir kam daraufhin der Entschluß derartige Ideologien an ihrer Wurzel zu untersuchen, die ich im Folgenden im UNIX Betriebssystem ausmachte. Daß ich dabei in UNIX eine Spezialität der formalen Sprachen entdeckte und so an einen ganzen Strang der Sprachphilosophie und Poetik im 20. Jahrhundert anschließen konnte, spielt in diesem Zusammenghang eine eher untergeordnete Rolle. Wichtiger für mich war an einer Grenzlinie zwischen Kunst und Nichtkunst zu bohren, die bis dahin nicht zu existieren schien. Hatte sich doch die Medienkunst Peter Weibels dadurch ausgezeichnet, daß sie in einem gewaltigen Umfassungsmanöver jegliche Medientechnik für die Kunst zu usurpieren und legitimieren versuchte. Folglich durfte es innerhalb dieses "Kessels" keine Unterscheidung zwischen Kunst und Nicht-Kunst mehr geben. Genau das Gegenteil trat ein. Die Künstler wurden zu Anwendern definiert, die in einem durch Technik und Systemadministratoren definierten Bereich kreativ zu sein hatten. Mittel und Werkzeug dieser Grenzziehung war für mich das UNIX Betriebssystem, das es erlaubte die Systemresourcen nach einem ausgefeilten System von Zugriffsrechten unter den Benutzern zu verteilen. Insofern machte es für mich Sinn dieses Programm durch einige Maßnahmen ans Licht zu holen, quasi auszustellen. Daß ich den Befehlen und der Befehlsstruktur sprachpoetische Qualitäten zuerkannte, war nur ein Mittel, ein anderes war große Siebdrucke der Befehle im Institut aufzuhängen und auf Nachfragen als Stützen des Selbstlernprozesses zu definieren. Ebenso bot ich selbst für interessierte Studenten der Städelschule Kurse in UNIX an, obwohl ich mich selbst nicht mehr als einen Anfänger bezeichnen konnte. Als Weigerung sich mit den nächsten Schritten, nämlich den auf UNIX aufbauenden Grafik- und Animationsprogrammen zu beschäftigen, konnten diese Aktivitäten auch als leiser Protest gegen die Institutsstrukturen aufgefasst werden. Wenn, so meine Überlegung, das nächste das erste auf dem es aufbaut vernachlässigt, so entfällt für das nächste auch die Legitimation nachfolgendes zu sein.
Wenn man einmal davon absieht, daß das Vokabular der Unix-Shell keine echte Programmiersprache ist, so ist es dennoch im engeren Sinne eine formale Sprache, d.h. sie wird von einem bestimmten Kalkül beherrscht. Sie hat sowohl eine Syntax als eine Semantik und ist produktiv, d.h. man kann neue Begriffe und Verfahrensweisen aus ihr entwickeln. Insofern ich davon ausgehe, daß Kunst (und damit schließe ich jedwede Form, also auch Musik, mit ein) als eine bestimmte Form von Code zu sehen ist, bietet sich hier ein ideales Experimentierfeld an. Zunächst einmal kommt es auf die Identifikation an: Kunst (als nicht Code) wird mit Code (als nicht Kunst) überlagert. Dabei werden strukturelle Ähnlichkeiten (homöomorphismen) ausgemacht. Ausgehend von der Maschinensprache kann man erkennen, daß Befehle wie "copy" (= Unikat und Vervielfältigung, Multiples etc.), "move" (= Orts-/abhängigkeit/unabhängigkeit von Kunstwerken), aber auch bestimmte Strukturen wie das hierarchische Dateisystem (insofern es einen Entscheidungsbaum repräsentiert, nachdem Merkmale katalogisiert werden können) durchaus in einem Kunstzusammenhang Sinn machen. Umgekehrt kann man von der Kunst ausgehend die Maschinensprache als konkrete Poesie begreifen, die es (typo)grafisch und musikalisch zu interpretieren gilt.
Example: UNIXxxx Flag SLOW/FLOW
UNIXxxx for beginners was a project at the Institut für neue Medien in 1991 - 1993