Künstler Hartz IV

Hartz-IV-Treff

Hartz IV Treff, Foto auf Flickr

Jedes Jahr vergibt die Hamburger Kulturbehörde 10 Stipendien an Bildende KünstlerInnen, die mit 820 Euro im Monat auf ein Jahr nicht gerade üppig dotiert sind.

Darüber erregt sich auf der Echo-Liste H.S.:

Wann wird dieses Künstler-Hartz IV in der reichsten Stadt der Republik endlich aufgestockt?

Nun ist die Verbindung zwischen einem Stipendium und der Sozialleistung Hartz IV einigermaßen seltsam und befragenswert.

Auf den ersten Blick könnte der Zusammenhang darin bestehen, dass es sich in beiden Fällen um Zuwendungen handelt, für die der Gebende keine direkte Gegenleistung erwartet. Jedenfalls nicht im Sinne einer Arbeit, für die ein Lohn gezahlt wird.

Genauer betrachtet sind allerdings zwei Unterschiede erkennbar:

Das Arbeitslosengeld II gründet sich auf einem Rechtsanspruch, den Menschen unter gegebenen Voraussetzungen auch einklagen können.

Während ein Arbeitsstipendium der Hamburger Kulturbehörde eine freiwillige Leistung darstellt, die den zufälligen Empfängern nicht notwendig zusteht. Einer Jury zum Trotz handelt es sich eigentlich um eine Lotterie. Wer leer ausgeht, hat den Regeln des Verfahrens nach „einfach“ Pech gehabt.

Auch ist der Aspekt der Selbstlosigkeit unterschiedlich zu bewerten. Die Agentur für Arbeit, die die Regelleistungen bezahlt, hat nichts davon. Sie folgt nur dem Gesetz. Im Gegenteil. Sie ist dazu angehalten, möglichst viele Empfänger von dieser Leistung zu entwöhnen.

Die Kulturbehörde hingegen unterstützt nicht bloß bedürftige KünstlerInnen. Selbst wenn der Betrag der Förderung gering erscheinen mag, er ist immer geeignet die öffentliche Hand als mäzenatisch handelnde in einem positiven Licht erscheinen zu lassen.

Entgegen den besten Absichten bedeutet öffentliche Kulturförderung immer auch ein Stück PR für die Gebenden. Das lässt sich von Hartz IV kaum sagen.

Aufstockung

Es bleibt als weitere mögliche Verbindung zwischen einem Kunststipendium und Hartz IV der jeweils sehr geringe Betrag der Zuwendungen. Dessen Aufstockung H.S. auf Echo fordert.

Dagegen möchte ich einwenden: Wem wäre denn geholfen, wenn es deutlich mehr Geld wäre?

Sicherlich bedeuteten 1000, 2000, 3000 Euro im Monat für viele Menschen, auch KünstlerInnen, eine angenehme Verbesserung ihrer teils trostlosen Einkommensverhältnisse.

Besteht nicht die untergründige und betrübliche Verbindung zwischen einem Kunststipendium und Hartz IV darin, dass in beiden Fällen die Empfänger kaum ein Chance bekommen aus der Abhängigkeit von solchen Zuwendungen herauszukommen?

Sind nicht vielmehr die KünstlerInnen noch schlechter dran, weil ihnen mit Aussicht auf eine solche Begünstigung, gerne auch euphemistisch Förderung genannt, bedeutet wird, sie hätten eine Leistung erbracht, die der Auszeichnung wert war?

Damit werden sie schleichend an ein System gewöhnt, das gerade keine eigene Leistung honoriert, so gerne auch darin von Individualität und Freiheit die Rede ist. Es reicht, dem System zu genügen.

Ernüchternd kommt daher ein kürzlich erschienener Beitrag in der Berliner Gazette zu dem Schluss:

Man macht nicht der Kunst einen Antrag, sondern dem Betrieb.

(Der Unterschied zwischen Antrag und Stipendium ist höchstens graduell.)

Wenn es tatsächlich Grund gäbe (und es gibt ihn!) sich über die geringe Kulturförderung der öffentlichen Hand zu beklagen und daraus Handlungsbedarf abzuleiten, so kann der nur darin bestehen, die KünstlerInnen in den Stand zu versetzen wirtschaftlich für sich selbst zu sorgen.

Arbeitsverbot

Im Gegensatz zum Hartz IV System, das viele Menschen in die Ecke stellt, die eigentlich arbeiten wollten, besteht im Kulturbetrieb für die meisten KünstlerInnen de facto ein Arbeitsverbot.

Sie werden nur dann geschätzt und geliebt, wenn sie bei mäßigem Leiden und Leidensdruck dem Müßiggang fröhnen, den ganzen Tag Kringel auf Leinwände malen, oder gleich leere Leinwände aufspannen, Scheisse in Dosen verpacken, und soviel Unnützes produzieren, dass die Gesellschaft mit dem Bau von Kunsthallen und sonstigen Lagerhäusern nicht nachkommt.

Sie dürfen viel und vieles tun, was auch immer, nur Arbeiten nicht. Das wird mit sofortiger Expellation aus dem Betrieb bestraft.

Weil sich derartig arbeitslose Geschäftigkeit auf die meisten finanziell nicht gerade positiv auswirkt, gibts zum Ausgleich der gröbsten Notlagen bei passender Einstellung (Talent o.ä.) gelegentlich einen kleinen Ausgleich in Form eines Arbeits(!)stipendiums, auf dass weitere Arbeit tunlichst vermieden wird.

Eine solche Art von Kulturfinanzierung gehört nicht aufgestockt, sondern abgeschafft. Wie Hartz IV auch.