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Stefan Beck: Texte von 1993 - 1998
Ende einer Nacht-Demonstration
Beitrag zur Veranstaltung "Licht" der Gruppe Selektion, 12/96
Tagebucheintrag vom 14.6.1996
Ich tanze in den frühen Morgenstunden zu den Klängen von House auf dem Opernplatz. Die Strahlen der soeben aufgegangenen Sonne werfen ein orangefarbenes Licht auf die um mich monolithisch aufragenden Hochhäuser.
Ich kann sie in diesem Moment durchaus als schön empfinden, in ihrer funktionslosen Massivität, einzig dazu da, die Sonnenstrahlen zu brechen und ihr eigenes Abbild vielfach in sich selbst zu spiegeln.
Aber ich kann trotz ihrer zeitweisen Faszination auf mich nicht wirklich verstehen, warum sich so viele Frankfurter gerade mit den Hochhäusern als einer für sie sinnstiftenden Instanz ihrer städtischen Existenz identifizieren. In keiner Untersuchung über das Lebensgefühl der urbanen Bevölkerung darf ein solcher Verweis auf den Zusammenhang zwischen Ausblick auf Vertikalität und erlebter Identität fehlen.
Mag sein, daß auch gerade in der Winterzeit die eingeschaltete Bürobeleuchtung den Stalagmiten den Eindruck von kerzenartigen Leuchtkörpern und somit den Hauch von Heimeligkeit verleiht, die die Straßen dazwischen vermissen lassen, aber für mich besteht die Transparenz und Helligkeit dieser Architektur nur als eine scheinbare.
Mag sich auch in der Empathie vieler Frankfurter noch ein Rest einer der Aufklärung verpflichteten utopischen Glas-Lichtarchitektur der beginnenden Moderne unseres Zeitalters finden lassen, einer Strömung die in der Durchbrechung der Wände, in der Sichtbarmachung des Inneren einen revolutionären Akt gegen eine sich hinter dicken Mauern verschanzenden Staats-Industrie-Bürokratie erblickte und der Transparenz des Gebäudes eine Transparenz der in ihm geborgenen Vorgänge zu Seite stellen wollte, so ist das Licht und die Transparenz unserer Monolithe, die in ihrer Formensprache noch immer die Abhängigkeit der sie begründenden Moderne verraten, keinesfalls mehr ein Licht der Aufklärung.
Die Lichter der Bankenhochhäuser sind keine Erleuchtungen. Sie geben nichts wieder. Die Prozesse, die im Inneren des Gebäudes sich abspielen werden durch Licht und Glas nicht sichtbar gemacht, sie stecken weiterhin unsichtbar in Transformationen die besonders die digitale Informationstechnologie möglich gemacht hat. Von ihnen bekommt der Betrachter nichts mit.
Die dümmste Arbeit in diesem Zusammenhang ist die Zeilgallerie-Fassade von Christian Möller. Es bedarf schon unendlicher Einfalt um auf die Idee zu kommen das Wetter für die farbliche Gestaltung der Lichtelemente heranzuziehen. Besser wäre es gewesen, wenn die Lichter auf den im Inneren des Gebäudes befindlichen Cash-Flow reagierten und so die eigentliche Bestimmung des Bauwerkes, nämlich den Besuchern geschickt das Geld aus der Tasche zu ziehen, intelligent reflektierte. Niemand spricht vom Wetter, wir machen bloß Geld.
Das Licht ist nicht mehr das Licht der Moderne. Es hat sich durch die es umgebenden Sicherheitssysteme transformiert. Die Lichtigkeit der Gebäude ist kalter Schein oder Simulakrum, wie Baudrillard sagen würde.
Diese Gebäude können nun so licht und transparent sein, wie sie nur wollen, weil sie an anderer Stelle vollkommen undurchsichtig sind. Videokameras und Flutlichter umgeben das Grundstück, Chipkartenkontrollierte Eingänge und Aufzüge verschließen den Zugang, auch innerhalb des Bauwerks, und Paßwörter und Firewalls regeln den Zugriff auf die informative Architektur, dem eigentlichen Skelett der Konstruktion. Wer so abgeriegelt auf der 30. Etage residiert verspürt wohl das Recht auf ungehinderte Aussicht. Transparent werden insofern nur die Anderen als sie im Blick von oben wie emsige Ameisen wirken, die ungelenkt, aber keinesfalls nutzlos umherkrabbeln, während das Rechenwerk den letzten Zehntelpfennig zur Billion addiert.
Ich komme zu dem Schluß, daß wir im Phänomen Licht nurmehr das Gegenteil von Helligkeit, Transparenz und Aufklärung erblicken müssen.
Die schattenlose Ausleuchtung von Fußgängerzonen, Durchgängen und Passagen mag zwar auf den ersten Blick Sicherheit versprechen, letztlich weist sie aber jeden, auch den Betrachter auf die im Plan festgehaltene Sicherheitsfunktion zurück.
Sicher-Licht-Keit ist hier insofern trügerisch als sie keinesfalls mehr den Antagonien einer aufklärerischen Moderne zugehört, die die Brechung real erfahren wissen wollte, als Einriss von Mauern; die Sicherheitsstrategie kann das sich im Licht befindliche Subjekt nur als Arretiertes begreifen, als Fest-Stellung, als Freeze Frame. Wir werden das paradoxe Phänomen begreifen müssen daß Licht das Gegenteil von Sicherheit bedeutet. je heller die Türme leuchten, desto schlechter wird es uns gehen, und nicht bloß weil es unser Geld ist, wie uns die Werbung weismachen will.
Nebenbei konnte diese Entwicklung in den 20er Jahren noch nicht deutlich werden, weil es der utopischen Licht-Glas-Architektur noch an Verwirklichungsmöglichkeiten fehlte. Das IG-Farbenhaus dürfte der typischen Bauweise doch viel näher kommen. Aber da, wo sie in Amerika z. B. Fuß fasste fand sie sich sofort mit dem Gegenteil von Transparenz, Öffentlichkeit und Teilhabe konfrontiert. Wenn Phil. Johnson in seinem Park exemplarisch ein Glashaus a la Mies baute, so meinte das nur noch die Freiheit innerhalb eines Zoos. Da kommen wir gerne mal zu Besuch, weil wir ins Seagram Building von Mies ohnehin ohne Ausweis nicht reinkommen.
Die Architekten von heute, allen voran Foster, bauen nach außen so als dauerte die Moderne ungehindert fort. Dafür daß diese nur auf dem Papier existierte dient Licht als Alibi. Es ist obendrein billig dazu.
Heil Oswalt. Heil Norman. Heil Sparkasse.